„Nicht aufgeben und dranbleiben“

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Bei unseren Engagement-Talks gaben Nicole Klaski (The Good Food), Olga Witt (Zero Waste Köln), Steffen Schmidt (Lasse Lastenrad Münster) und Stefan Kreutzberger (Foodsharing e.V.) Einblicke in ihre jeweiligen Initiativen und ihre persönlich Motivation.
v.l.: Nicole Klaski (The Good Food), Olga Witt (Zero Waste Köln), Steffen Schmitt (Lasse Lastenrad) und Stefan Kreutzberger (Foodsharing)

Pionier*innen des nachhaltigen Konsums, v.l.: Nicole Klaski (The Good Food), Olga Witt (Zero Waste Köln), Steffen Schmitt (Lasse Lastenrad Münster) und Stefan Kreutzberger (Foodsharing e.V.)

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Einkaufen, auspacken, Müll runterbringen – irgendwann fühlte sich das für Olga Witt nicht mehr richtig an. Vor allem, weil es ausgerechnet das Bio-Obst und -Gemüse aus dem Supermarkt war, das Unmengen Plastikverpackungen in ihre Küche brachte. So begann die Kölnerin, sich mit dem Thema „Zero Waste“, also einem möglichst abfallarmen und ressourcenschonenden Lebensstil, zu beschäftigen. Im Frühjahr 2013 ging’s los. „Damals gab es kaum was zu dem Thema, deshalb habe ich selbst angefangen, darüber zu bloggen“, erzählt sie im Engagement-Talk des MehrWert-Projekts.

Beiträge zur Woche des bürgerschaftlichen Engagements

In der Woche des bürgerschaftlichen Engagements hatte das MehrWert-Team Olga Witt und drei weitere Pionierinnen und Pioniere des nachhaltigen Konsums eingeladen, von ihren Initiativen, Erfahrungen und ihrer persönlichen Motivation zu berichten. Online konnte jede und jeder Interessierte dabei sein, den Interviews folgen und im Chat Fragen stellen. Tim Schwermer und Isabel Naguib führten die Gespräche.

Zero-Waste-Pionierin Olga Witt: „Der einfachste Tipp ist, weniger zu kaufen!“

Erste Schritte dürfen kleine Schritte sein

Für Olga Witt änderte sich mit der Entscheidung für ein Leben mit weniger Müll alles: Sie gründet erst einen Online-Shop, dann den Unverpackt-Laden „Tante Olga“, schreibt und bloggt über Zero Waste, hält Workshops und Vorträge und arbeitet im Verein Zero Waste Köln mit. Aber wie funktioniert das mit dem Müllvermeiden im Alltag? „Es gibt Tausend Möglichkeiten – es hängt davon ab, was einem leicht fällt. Fangt auf jeden Fall mit etwas an, was euch leicht fällt“, rät sie.

Ob Haarseife statt flüssigem Shampoo, eigenem Stoffsäckchen statt Plastiktüte, Trinkflasche statt gekauftem Getränk im Einwegplastik –  erste Schritte dürfen kleine Schritte sein. „Der größte Müll entsteht allerdings bei unserem Konsum. Der einfachste Tipp ist daher, weniger zu kaufen“, sagt Olga.

Von der geretteten Packung Tee zum Ladenkonzept „The Good Food“

Was Nicole Klaski besonders bewegt, ist das Thema Lebensmittelverschwendung. So kam sie 2012 erst zur Initiative Foodsharing und gründete dann mit Gleichgesinnten in Köln den gemeinnützigen Laden „The Good Food“. Dort gibt es gegen einen Spendenbeitrag Obst und Gemüse, das von Landwirten oder Supermärkten aussortiert wurde, MHD-Ware oder Backwaren vom Vortag. Auch „Retterregale“ werden mit solchen Lebensmitteln bestückt. „Das erste, was ich damals beim Foodsharing abgeholt habe, war eine Packung Tee –  und ich habe mich wie jeck gefreut. Das war so aufregend, bei fremden Menschen zu klingeln und zu sagen: ‚Hallo, ich habe auf einer Internetseite gesehen, dass ihr Tee abzugeben habt‘“, erinnert sie sich. Seither sind unzählige gerettete Lebensmittel durch ihre Hände gegangen.

Hat sich denn auch die Einstellung in der Gesellschaft geändert, werden Lebensmittel inzwischen mehr wertgeschätzt? „Das Thema hat mehr Aufmerksamkeit gewonnen. Viele sprechen darüber und können sich dafür begeistern. Ein Beispiel: Zu uns kommen oft Grundschulklassen und zerren danach ihre Eltern hier hin, weil bei uns das schöne krumme Gemüse ist. Zweibeinige Möhren und Herzkartoffeln sind besonders der Renner.“

Foodsharing gegen Lebensmittelverschwendung

Politikwissenschaftler Stefan Kreutzberger beschäftigt sich als Journalist und Buchautor mit dem Thema Lebensmittelverschwendung. Mit Valentin Thurn schrieb er das Sachbuch „Die Essensvernichter“ und realisierte den Kinofilm „Taste the Waste“. Damit brachten beide Anfang der 2010er-Jahre die Problematik der weltweiten Vernichtung und Vergeudung von Lebensmitteln in die Öffentlichkeit und rüttelten auch die deutsche Politik auf. Zudem gründeten sie die Initiative Foodsharing mit der Online-Plattform foodsharing.de.

„Der politische Fahrplan war uns damals zu lang. Wir dachten, wir können nicht nur ein Buch schreiben und einen Film machen, sondern auch etwas Praktisches tun. Da kam die Idee auf, auf Verbraucherebene Lebensmittel von privat zu privat zu tauschen“, erklärt Kreutzberger. Mehr als 80.000 aktive Foodsaver gehören Foodsharing mittlerweile an, mit der Foodsharing-Akademie wird Bildungsarbeit betrieben und der Verein mischt sich politisch ein, fordert beispielsweise einen Wegwerfstopp für Supermärkte.

Wie zieht man so ein Projekt durch? „Mein Tipp wäre: Nicht aufgeben und dranbleiben! Außerdem ergebnisoffen in Diskussionen reingehen und nicht mit einer festgesetzten Meinung im Kopf. Ich war von vielen Dingen überzeugt und es hat sich meist rausgestellt, dass es ein komplexeres Bild gibt“, so Stefan Kreutzberger.

Lastenräder für Münster

Drangeblieben sind auch Steffen Schmidt und die anderen Fahrradbegeisterten im Team, als es darum ging, den Fahrradverkehr in Münster noch ein bisschen besser zu machen. Nach Kickoff und Namensfindung beim „Tag der Nachhaltigkeit“ ging im November 2015 das Lastenrad „Lasse“ in den kostenlosen Verleih, unterstützt vom ADFC Münsterland und anderen Förderern. Auch im „radelnden Münster“ war der Lastentransport auf zwei Rädern und mit eigener Körperkraft da noch etwas Neues. Aber ehrlich: „Ist es wirklich möglich, einen Umzug mit dem Fahrrad zu machen?“, fragt Tim Schwermer im Engagement-Talk. Steffen Schmidt schmunzelt: „Ja, es ist machbar – allerdings muss man schauen, wie groß der Hausstand wirklich ist. Meinen letzten Umzug habe ich mit dem Lastenrad und einem Bulli gemacht“, erzählt er.

„Lasse“ hat inzwischen längst Zuwachs bekommen durch „Lotte“ und „Lemmy“, außerdem sind zunehmend private Lastenräder unterwegs. Dennoch sei das Verhältnis von Auto- und Fahrradfahrern auch in der Westfalenmetropole nicht konfliktfrei, so Steffen. „Münster ist eine volle Stadt und die Infrastruktur ist aus den 70er-Jahren und veraltet. Die Straßen sind also einfach überlastet.“ Hier müsse politisch etwas getan werden, um dem klimafreundlichen Transport weiterhin den Weg zu ebnen. Das Lastenrad-Team macht jedenfalls weiter. „Gerade gibt es eine ganz aktuelle Kooperation mit Foodsharing: Pepe, die Pastinaken-Pedale. Das ist ein Lastenrad mit Anhänger und einer mobilen Küche, wo gerettete Lebensmittel gekocht werden können.“

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