Lastenräder zum Leihen - so gründet ihr eine eigene Initiative

Stand:
Lastenräder ermöglichen nachhaltige und umweltfreundliche Mobilität. Unser Leitfaden hilft euch, einen Lastenradverleih aufzubauen.
Lastenradfahrer

Dieser Leitfaden zum Aufbau eines (kosten)freien Lastenradverleihs basiert auf den Erfahrungen aus einem konkreten Fall: Gemeinsam mit dem Kölner Verein Fundus Köln-Nord e.V. und dem Know-how der Lastenradinitiative Kasimir sorgte die Verbraucherzentrale NRW für ein Lastenrad im Bezirk Köln-Chorweiler.

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Gute Argumente für eine Lastenradinitiative

Lastenräder unterstützen die Mobilität und sind eine klimaneutrale, ressourcenschonende und gesundheitsfördernde Alternative zum Auto. Sie ermöglichen größere Einkäufe, den Transport der Kinder zu Kita oder Hobbys und größere Umzüge.

Ein freies Lastenrad, das kostenlos gemeinsam genutzt werden kann, ist eine prima Sache: Es löst für Privatpersonen das Problem der hohen Anschaffungskosten – und leistet einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz, sofern es das Autofahren nach und nach ersetzt. Neben der Lärmminderung und der Luftreinhaltung benötigen (Lasten-)Fahrräder weniger Verkehrsraum und Parkfläche. Außerdem tragen Initiativen, die ein Lastenrad verwalten und bereitstellen, intensiv zur sozialen Teilhabe im eigenen Stadtviertel bei.

Auch in Aachen und Essen sind bereits zwei freie Lastenräder unterwegs, die gemeinschaftlich genutzt werden. ELA und K.A.R.L. im ausführlichen Porträt.

Organisation, Verwaltung, erste Schritte

Der wichtigste Schritt auf dem Weg zum Lastenrad: Motivation für das Thema und viel Eigeninitiative. Teilt eure Begeisterung mit Freunden und Bekannten, sucht Gleichgesinnte, z.B. über Aushänge in der Nachbarschaft, und nehmt Kontakt mit einer bestehenden Lastenradinitiative auf. Dort erhaltet ihr wertvolle Tipps und könnt beispielsweise gemeinsam eine Infoaktion planen.

Verteilt die Organisation auf mehrere Schultern.

Die Organisation wird erleichtert, wenn die Aufgaben im Team klar verteilt und die Ansprechpartner für mögliche Sponsoren und Unterstützer klar benannt sind. Bei der Aufgabenverteilung solltet ihr berücksichtigen, wer welche Fähigkeiten mitbringt. Zum Beispiel:

  • Wer kennt sich mit technischen Details an Fahrrädern aus und/oder hat Kontakte zu lokalen Fahrradhändlern? Ggf. sind Rabatte bei der Anschaffung möglich.
  • Wer beherrscht gängige Reparaturen oder kann sich vorstellen, die regelmäßige Wartung eines gemeinsamen Rades zu organisieren?
  • Wer hat Kontakte zu lokalen Geldgebern wie Stiftungen, der Kirchengemeinde oder Unternehmen, die das Vorhaben finanziell unterstützen würden?
  • Wer hat ein Händchen für Öffentlichkeitsarbeit und Ideen, die dem Lastenrad Aufmerksamkeit verschaffen?
  • Wer ist im Stadtviertel präsent, gut ansprechbar und zuverlässig? Diese Person eignet sich als Hauptansprechpartner für die Ausleihe.
  • Wer hat einen trockenen, sicheren und gut zugänglichen Stellplatz für das Rad oder kann einen finden?
  • Wer hat Freude an der Webseitenprogrammierung und Verwaltung eines Onlineportals für die Ausleihe? Die Lastenradcommunity hat bereits ein gut funktionierendes System erprobt, das sogenannte Commons Booking.

Tipp: Wenn es vor Ort schon Lastenräder gibt, könnt ihr euch ggf. an bestehende Ausleihplattformen anschließen.

Einen geeigneten Standort finden

Bei der Überlegung wo ihr euer Lastenrad abstellen könnt, bedenkt diese Kriterien:

  • zentral und gut erreichbar im Viertel
  • möglichst trocken/wettergeschützt
  • sicher, aber dennoch gut zugänglich

Mögliche Standorte können sein:

  • Hotels oder Jugendherbergen, die eine regelmäßig besetzte Rezeption für die Schlüsselausgabe haben.
  • Bezirksrathaus oder Pfarrbüro, wenn sie regelmäßig geöffnet haben.
  • Eine Garage. Achtung, dann muss ein Zugang zu verschiedenen Tageszeiten möglich sein.

Wichtig: Der Standort für das Rad sollte nicht zu häufig wechseln. Falls es keinen zentralen Abstellort gibt, kann der Standort „wandern“, das Lastenrad also von verschiedenen Paten untergebracht werden. Ein Wechsel im Abstand von drei Monaten ist hier zu empfehlen.

Das richtige Modell auswählen

Bevor die Wahl auf ein Lastenradmodell fällt, überlegt euch, welche Anforderungen ihr an das neue Rad stellt.

  • Soll es wendig, schnell und flexibel sein? Dann empfehlen sich zweirädrige Modelle, die jedoch (für Anfänger) schwieriger zu fahren sind.
  • Ist eine einfache Handhabung wichtig und sollen auch Kinder sicher mit dem Fahrrad transportiert werden können? Dann eignet sich ein dreirädriges Lastenrad besser.
  • Welche Gegenstände werden wohl am häufigsten mit dem neuen Lastenrad transportiert? Große, sperrige Gegenstände wie z.B. Waschmaschinen passen nicht in jede Transportbox, Wasserkisten schon.

Tipp: Legt euch nach eurer Recherche auf maximal drei mögliche Modelle fest und fahrt diese beim Fachhändler mit einigen Interessenten Probe. Das beste Fahrgefühl entscheidet!

Eine ausführliche Übersicht über die Auswahl der richtigen Modelle liefert der ADFC Berlin.

Anfallende Kosten

Ein Fokus liegt auf der Akquise von Sponsoren für die Finanzierung. Hier findet ihr eine Übersicht von Finanzierungsmöglichkeiten für bürgerschaftliches Engagement. Eine Anfrage bei Bürgerstiftungen, lokalen Unternehmen oder Wohltätigkeitsorganisationen (z.B. Rotary oder Lions Club) kann sinnvoll sein. Eure Sponsoringanfrage sollte eine kurze Projektbeschreibung und eine Aufstellung der voraussichtlichen Kosten beinhalten und die Ansprechpartner nennen, die für die Organisation und Ausleihe verantwortlich sind. Außerdem solltet ihr anbieten, das Projekt bei einem gemeinsamen Termin öffentlichkeitswirksam vorzustellen (z.B. bei einem Stadtfest).

Anschaffungskosten

Ihr müsst mit Kosten von mindestens 1.500 Euro für ein eher günstiges Modell rechnen. Höherwertige Lastenräder liegen bei 2.000 Euro aufwärts. Hinzu kommen Kosten für Sonderausstattung und Zubehör, wie Transportbox, Abdeckplanen, eine höherwertige Schaltung, Schloss und Schutzbleche. Je nach Wahl können so noch einmal 200 bis 1.500 Euro hinzukommen. Wer ein Rad mit Elektromotorunterstützung anschaffen möchte, muss mit durchschnittlichen Kosten zwischen 3.500 und 4.000 Euro rechnen. Elektroantrieb empfiehlt sich in bergigen Regionen, in flachen Regionen ist ein Lastenrad ohne Elektroantrieb leichter zu handhaben (weniger Wartung, besser für Anfänger geeignet).

Laufende Kosten

  • Versicherung (Haftpflicht- und Diebstahl). Die laufenden Versicherungskosten variieren je nach Anschaffungskosten. In unserem Kalkulationsbeispiel liegen sie bei ca. 175 Euro jährlich bei einem Versicherungswert von 2.200 Euro. Eine zusätzliche Haftpflicht für Schäden, die durch Ausleiher verursacht werden, empfiehlt sich dringend. Dadurch erhöhen sich die Versicherungskosten leicht. Die Jahresprämie dafür liegt bei ca. 30 Euro (Stand August 2018).
  • Reparaturen und Wartung (z.B. neue Reifen). Erfahrungsgemäß werden Reparaturen spätestens ab dem zweiten Jahr notwendig. So sollten Wartungskosten für Reparaturen mit 100 bis 300 Euro pro Jahr kalkuliert werden. Zusätzlich entstehen Kosten für Ersatzteile.
  • ggf. für die Unterbringung des Rads
  • Vermarktung (Flyer, Plakate, Internetseite, Gestaltung des Fahrrades)

Tipp: Für handwerklich Begabte gibt es die Möglichkeit des Lastenrad-Eigenbaus. Online-Plattformen wie werkstatt-lastenrad.de liefern kostenlose Bauanleitungen und Workshop-Dokumentationen für Lastenräder, die ganz im Sinne des „Open-Source“-Gedankens zum Umbau/Upcycling des eigenen Fahrrads aufrufen. Dafür ist jedoch entsprechende Expertise gefragt und das Lastenrad Marke Eigenbau sollte vor Betrieb noch einmal von einem Fachmann geprüft und freigegeben werden.

So organisiert ihr die Ausleihe

Online-Buchungssystem

Die Ausleihe erfolgt am besten online. So kann das Rad unbürokratisch mit einem Online-Zugang gebucht werden. Neben der Buchung muss jedoch zwangsläufig eine Schlüsselübergabe mit Übergabeformular erfolgen. Es gibt Open-Source-Portale wie das der Kölner Lastenradinitiative Kasimir, die 2013 das erste Lastenrad Deutschlands in Köln präsentierte und seitdem ihre Plattform kostenlos für weitere Kölner Lastenradinitiativen zur Verfügung stellt.

Wie eine Ausleihe ablaufen kann, zeigt Kasimir.

Vor Ort-Buchung

Je nach Verleihsystem kann die Online-Buchung auch mit einer vor Ort-Buchung, z.B. über die Rezeption einer Jugendherberge oder im Pfarrbüro oder Jugendzentrum, gekoppelt werden.

So macht ihr euer Lastenrad bekannt

Damit das Lastenrad möglichst häufig im Einsatz ist, muss es in der Nachbarschaft und im Stadtteil bekannt werden. Das heißt ihr müsst Öffentlichkeitsarbeit betreiben und Werbung machen.

Diese Möglichkeiten und Kanäle könnt ihr nutzen:

  • Aushänge: Tätigt Aushänge in Supermärkten, lokalen Geschäften und öffentlichen Einrichtungen wie z.B. der Bücherei oder dem Kirchenschaukasten. Erklärt, wofür das Lastenrad eingesetzt werden kann, wo es auszuleihen ist und wie die Ausleihe abläuft.
  • Soziale Medien: Auch über soziale Netzwerke und Online-Nachbarschaftsplattformen könnt ihr über euer Angebot informieren.
  • Kreative Gestaltung des Rads: Eine kreative Gestaltung des Lastenrads generiert Aufmerksamkeit – je bunter, desto auffälliger ist es, wenn es gefahren wird.
  • Präsentation des Rads: Das Lastenrad sollte auf Straßenfesten oder anderen Veranstaltungen im Stadtteil vor Ort sein. Für Interessierte sollte die Möglichkeit bestehen, Probe zu fahren.
  • Pressemitteilung: Tretet an die lokale Presse heran und verfasst eine Pressemitteilung. Die meisten Lokalzeitungen berichten gerne über bürgerschaftliches Engagement vor Ort.

Weitere Hinweise für den Umgang mit Pressevertretern und konkrete Tipps zum Schreiben einer Pressemitteilung findet ihr auf der Seite Wie kommt unsere Initiative in die Medien?

Interessant für euch

Handbuch Lastenradverleih
Das Forum Freie Lastenräder hat mit Unterstützung des ADFC Bundesverbands ein Handbuch zum Start eines freien Lastenrads herausgebracht. Herangehensweise, Erfahrungswissen von anderen und unterschiedliche Ansätze für die Umsetzung von Anschaffung bis Ausleihe werden in diesem Handbuch thematisiert.

Die Landesregierung NRW: Engagiert in NRW
Die Landesregierung beleuchtet mit diesem Online-Angebot verschiedene Aspekte möglichen Engagements. Die Bandbreite reicht von Hinweisen zu Förderungen und Unterstützungsangeboten bis hin zur Vermittlung von Engagierten sowie Wettbewerben oder Ehrenamtspreisen.

Engagement selbst gemacht – Einstieg ins Projektmanagement mit dem "Initiativen-Kochbuch"
Ein Handbuch rund um Projektmanagement, Ideenentwicklung, Planungen, Zielgruppen, PR, Fundraising und Finanzmanagement für Initiativen. So gelingt eine Initiative.

Stiftung anstiftung
Die anstiftung fördert, vernetzt und erforscht Räume und Netzwerke des Selbermachens. Dazu gehören Interkulturelle und Urbane Gärten, Offene Werkstätten oder Reparatur-Initiativen. Sie koordiniert bundesweite Aktiven-Netzwerke und setzt Bildung und Wissensaustausch um.

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